Kaum wieder zu erkennen war am Wochenende die Gießener "Gut Stubb", die Sporthalle Ost. Traversen waren aufgebaut und Stangen und Ringe mit entsprechenden Abgrenzungen und Beleuchtungen bildeten die Bühnen für die Darbietungen der Sportler.
Bernhard Zirkler, in der Doppelfunktion als Präsident des Deutschen Polesport- und Aerial Hoop-Verbandes als Veranstalte und Vorsitzender der TSG Blau-Gold Gießen e.V. als Ausrichter eröffnete am Freitagnachmittag die Wettkämpfe. Er verwies darauf, dass die Ausweitung der Veranstaltung auf drei Tage und der mögliche Aufbau der aufwändigen Technik am Fronleichnamstag, eine entspanntere Abwicklung und einen weniger gedrängten Ablauf der Wettkämpfe erlaubte.
186 Teilnehmer in den Disziplinen Polesport, Aerial Pole und Aerial Hoop in verschiedenen Alters- und Leistungsklassen kämpften um Medaillen und die Qualifikation zur WM, die im Oktober im argentinischen Buenos Aires stattfinden wird.
Bei den vorangegangenen fünf Deutschen Meisterschaften war das Team der TSG Blau-Gold der mit Abstand erfolgreichste Verein in beiden Disziplinen und die Gießener wollten diesen Titel halten.
42 Gießener Sportler stellten sich dem internationalen Wertungsgericht in verschiedenen Alters- und Leistungsklassen. Die höchste Klasse ist die "Elite", nur Teilnehmer die sich zu dieser Klasse hochgeturnt haben, können sich für die WM qualifizieren. Gewertet wurde nach einem vom internationalen Verband vorgegebenen Punktsystem, das dem im Turnen ähnlich ist. Die tänzerischen und akrobatischen Elemente müssen vorab der Jury vorliegen und an einer festen Stange (Static Pole) und rotierenden Stange (Spinning Pole), die jeweils vier Meter hoch sind, in einer Zeit von vier Minuten auf eigene Musik dargeboten werden. Ähnlich die Bewertung bei Aerial Hoop. Erst zum zweiten Mal ausgetragen wurde in Gießen die Disziplin Aerial Pole. Hier ist die Stange freischwebend aufgehängt, was eine besondere Herausforderung für die Athleten ist.
Erstmals startete am Freitag in der Aerial-Hoop Disziplin eine Gießener Mannschaft. Nicole Gouriya, Anne Kunz, Berit Pfeifer, Anna-Sophie Weber und Fabia Weiser gewannen mit ihrer anspruchsvollen Choreographie überlegen den Team-Wettbewerb, sicherten sich die Qualifikation zur WM und sorgten für einen idealen Start in die Wettkämpfe und für Ansporn für ihre Teamkollegen.
Direkt im Anschluss startete mit Finja Rolshausen eine der erfolgreichsten Blau-Gold Athletinnen. Finja spielte ihre Routine am Flying Pole aus, ließ ihrer Konkurrentin Fabienne While aus Solingen keine Chance und verteidigte ihren Titel vom Vorjahr. Die zweite WM-Teilnahme war damit gesichert.
Die DM in Gießen wurde "offen" ausgerichtet. Athleten, deren Länder keine eigenen Meisterschaften ausrichten, hatten die Gelegenheit sich in Gießen zu qualifizieren. Hier wird dann die erreichte Punktzahl mit den Startern bei anderen internationalen Turnieren verglichen und danach nominiert.
In Gießen waren Starter aus Griechenland am Start, die mit eleganten Darbietungen hohe Punktzahlen erreichten und die WM-Teilnahme fest im Blick haben.
Monique Biehl startete in der Disziplin Artistik-Pole. Bei den Artistik-Wettkämpfen muss ein Thema akrobatisch dargeboten werden. Monique erreichte die Silbermedaille was die ehrgeizige Sportlerin allerdings nicht zufriedenstellte.
Aerial Hoop verzeichnet einen enormen Aufschwung in der TSG. Nach Titel- und Medaillengewinnen durch Nicole Gouriya bei Weltmeisterschaften waren die Gießener Athletinnen in der Luftring-Disziplin klar favorisiert. Nicole dominierte überlegen und mit großem Punktevorsprung mit ihrem Thema "Frieden" vor Tini Stark aus Wolfsburg. Den Flug nach Buenos Aires sicherten sich ebenfalls bei den Junioren Anna-Sophie Weber im Einzel und im Team mit Lotte Pleh im Double. Berit Pfeifer erreichte mit hoher Punktzahl die Silbermedaille.
Der Samstag startete mit einem mit Spannung erwarteten Zweikampf. Finja Rolshausen traf in der Pole-Sportkategorie auf ihre Dauerkonkurrentin Anna Smolska aus Baumholter. Bei den letzten Meisterschaften hatte bei den Junioren die 17jährige Finja die Nase vorne doch Anna hatte besonders im tänzerischen Bereich aufgeholt. Ein Ausrutscher von Finja nutzte die direkt nach ihr gestartete Konkurrentin aus, gewann die prestigeträchtige Disziplin mit klarem Abstand und sicherte sich die WM-Teilnahme. Die 14jährige Sofja Schmidt bestritt ihren ersten Wettkampf und verpasste mit Platz vier knapp die Medaillenränge.
Mit Charlotte Sophie Lesch startete am Luftring die jüngste Teilnehmerin der Wettkämpfe. Das achtjährige Bewegungstalent begeisterte das Publikum mit ihrer erstaunlich selbstbewussten und ausdrucksstarken Darbietung. Auch wenn in dieser Altersgruppe noch keine WM-Teilnahme möglich ist, steht Charlotte Sophie die sportliche Zukunft offen.
Darüber und über die Leistungen der darauffolgenden Nachwuchsklassen freute sich TSG-Vorsitzender Bernhard Zirkler besonders. Die Gießener Kinder und Jugendlichen dominierten die Meisterschaften und belegten die ersten fünf Plätze im Aerial Hoop-Sport. Kein anderer Deutscher Verein betreibt eine so erfolgreiche Nachwuchsarbeit und sichert damit die Erfolge der Zukunft.
Amelie Lesch lieferte sich einen packenden Zweikampf mit atemberaubenden, akrobatischen Übungen mit ihrer Vereinskameradin Annabelle Geiges. Mit elf und zehn Jahren erreichten sie die für ihre Altersgruppe erstaunliche Punktzahl von 51,5 Punkten für Amelie, die damit knapp vor Annabelle lag, die 47 Wertungspunkte erreichte. Beide haben den Fug nach Argentinien sicher und freuen sich schon auf ihre Reise nach Südamerika.
Lotte Pleh, Finja Behrendt, Amelie Binder und Aliyah Badem vervollständigten den Gießener Triumpf und nur Holly Munte aus Wolfsburg schob sich mit ihrem sechsten Platz dazwischen.
Männer sind die Ausnahme bei den Meisterschaften und die TSG hatte mit Simon Koch, der zusammen mit Leopold Stabbauer die Moderation übernommen hatte, einen ehemaligen Weltmeister in ihren Reihen. Für Maximilian Löber war es der erste Wettkampf am Hoop und er bot eine austrainierte Darbietung. Er konnte entspannt auf die Bühne gehen, war er doch der einzige Teilnehmer bei der DM. Das Hauptaugenmerk richtete sich demnach auf die erreichte Punktzahl und Maximilian erreichte mit 55,5 Punkten ein nie erwartetes gutes Ergebnis, allerdings in der Nachwuchsklasse keine WM-Qualifikation.
Ebenfalls in der Nachwuchsklasse starteten Julia Hahne und Lisa-Marie Friedrich. Sie sicherten sich mir fehlerfreien Darbietungen Gold und Silber für Blau-Gold.
Bei Artistik Pole starteten Lisa Frerich im Einzel und Jasmin Marchal mit Christin Bauer im Double. Zwei Goldmedaillen und hohe Punktzahlen waren die Ausbeute für die gelungenen Darbietungen.
Fabia Weiser und Berit Pfeiffer sorgten am Luftring für eine Überraschung. Sie gewannen Gold und Silber in der starken Altersklasse der über 30jährigen und qualifizierten sich Beide für die WM. Freudentränen flossen nach Bekanntgabe der hohen Punktzahlen von 42,1 und 38,3 und Vorsätze, jetzt spanisch zu lernen, wurden gefasst.
Höhepunkte des Samstags waren die Auftritte von Irene Bückendorf, Nicole Gouriya und Finja Rolshausen. Alle Drei präsentierten ihre Performances als Titelverteidiger und erfahrene WM-Teilnehmer. Finja startete furios am Luftring bei den Junioren. Ihr merkte man noch ihren Zorn über die verpasste Goldmedaille vom Vormittag an und entsprechend energiegeladen ging sie in ihre vierminütige Darbietung. Diesmal trübte kein Fehler ihren Vortrag und sie gewann mit überlegener Punktzahl vor ihrer Vereinskameradin Ann Sophie Weber. Finja sicherte sich damit den zweiten Start in Buenos Aires.
Nicole Gouriya dominierte klar in der Hauptgruppe Aerial Hoop und siegte in der starken Konkurrenz vor der Wolfsburgerin Tini Stark, die sie schon in der Artistik-Disziplin hinter sich gelassen hatte. Beide können ihre Flüge zur WM buchen wo Nicole in zwei Disziplinen Deutschland vertreten wird.
Irene Bückendorf hatte bei der letzten WM in Schweden zwei Goldmedaillen mit nach Gießen gebracht. Ihre Paradedisziplin ist "Artistik Pole" in der Senioren Ü30 Gruppe. Die Titelverteidigung stand für das Talent in Ausdruck und Komödie zu keiner Zeit infrage. Mit 79,8 Punkten erreichte sie die höchste Punktzahl aller weiblichen Teilnehmer, nur Artur Kopec aus Hannover erreichet mit 80,3 Punkten die Wettkamp-Höchstzahl in der Artistik.
Leider konnte die Gießener Mannschaft, die mit Irene Bückendorf in Schweden sensationell die Goldmedaille geholt hatte, wegen eines Krankheitsfalles nicht am Start sein.
Der Sonntag stand im Zeichen der Nachwuchswettbewerbe. Besonderes Augenmerk galt den Pole-Novicen unter 14 Jahre. Drei Mädchen gingen für Blau-Gold unter zehn Teilnehmerinnen an den Start. Lia Kergefer, Lili Fiedler und Zoe Schmidt vertraten die Gießener Farben und bewiesen, dass sich auch an der Stange die TSG keine Sorgen um die Zukunft machen muss. Den Sieg mussten sie zwar Mylana Korovai aus Bünde überlassen, die Silbermedaille für Zoe Schmidt, der vierte Platz für Lia Kergefer und Platz fünf für Lili Fiedler stellten doch sehr zufrieden.
Das Trainerteam Adina Brill, Valerie Ruddat, Maren Arabin und Nicole Gouriya war sehr zufrieden mit dem Abschneiden ihrer Schützlinge. Erneut wurde die TSG Blau-Gold mit 16 Goldmedaillen der mit Abstand erfolgreichste Verein bei einer DM. Im Oktober geht es nach Buenos Aires zur WM und Blau-Gold wird dort in 13 Disziplinen und 16 Teilnehmerinnen am Start sein.
Auch die Präsidentin des internationalen Verbandes IPSF, Bianca Scholten, hatte es sich nicht nehmen lassen die Gießener Veranstaltung zu besuchen. Sie bedachte das Blau-Gold Team mit viel Lob für die unter der Leitung von Alexander Brill und Andreas Wolff gut organisierten und pünktlich abgelaufenen Deutsche Meisterschaft.